Das AirBnB-Phänomen: Welchen Effekt hat es auf die Städte?

Noch nie ist etwas so harmloses, wie das Vermieten von Räumlichkeiten bei sich Zuhause so kontrovers diskutiert worden. Während die einen der Meinung sind, dass es dabei hilft eine „Ökonomie des Teilens“ aufzubauen, in der Geld an Menschen mit niedrigen Einkommen oder kleinere Unternehmen umverteilt wird, glauben andere, dass es eine lukrative Schattenwirtschaft fördert, die dabei hilft Steuern zu hinterziehen und zu einem akuten Mangel an bezahlbaren Wohnungen führt.

In den letzten zwei Jahren vermietete Raffaele (Name geändert) seinen größten Raum im dritten Stock seiner Wohnung in Barcelona an Touristen und bietet mittels Webseiten wie AirBnB einen „Bed & Breakfast“ – Service an.

Er ist jetzt 38 und seit eine Rückenoperation in sechs Monate ans Bett gefesselt hat raus aus der regulären Arbeit. Das „Bed & Breakfast“-Konzept war seine Rettung, die es ihm ermöglichte sein Haus zu behalten und die Alternative zu vermeiden: Zu seiner Familie nach Italien zurückzukehren.

Er ist außerdem einer von knapp 500 AirBnB – Hosts, die auf dem Plaza Sant Jaume gegen die kürzlich von der katalanischen Regierung gegen AirBnB erlassene Strafe von 30.000 € protestierten. AirBnB wurde außerdem gedroht ihre Webseite zu sperren, wenn die Firma nicht alle Gastgeber entfernt, die keine offizielle Touristenlizenz haben.

“Wir sind hier, um unser Recht zur Teilhabe an der Wirtschaft zu schützen und unser Einkommen zu sichern“, sagte Raffaele mir.

Die Proteste mündeten in einer Einladung des Bürgermeisterbüros von Barcelona, um mit verschiedenen Vermietern zu sprechen und ihre Sichtweise an die katalanische Regierung weiterzugeben.

Aber einige sehen bereits bedrohliche Wolken am Horizont aufziehen. Es ist kein Geheimnis, dass die Stadt und die Provinz als Zukunftsstrategie auf ertragsstarke Touristen, die in Hotels übernachten, setzen. Sie sind desillusioniert vom Model des Massentourismus, der mehr Partygänger angezogen hat, als es den Einheimischen lieb ist. AirBnB, sagen manche, geht genau in diese Richtung.

Raffaele sagt, dass die Vermietung seiner Räumlichkeiten im Poble-Sec-Viertel (ein bei Einwanderern beliebtes und kostengünstiges Barrio) nicht immer eine Goldgrube ist.

„Es gibt Monate da macht man genug Geld, es gibt aber auch andere Monate, wo man Rechnungen nicht bezahlen kann – aber insgesamt ist es sehr positiv, da es mir durch schwere Zeiten geholfen hat“, sagt er.

Sein Appartement ist eines von über 5000 in Barcelona, die über AirBnB mindestens einen Raum an Touristen vermieten. Heute ist es ein globales Phänomen, das für Touristen in über 192 Ländern und 34.000 Städten verfügbar ist und aus seinen beiden Gründern Milliardäre gemacht hat.

Leute wie Raffaele behaupten, dies sei Teil der neuen “Sharing Economy” und wird durch die Technologie und das Internet ermöglicht, wo Millionen nun Geld verdienen und ausgeben und an früher nur schwer zugänglichen Märkten teilhaben können.

Aber wird das Geld dadurch wirklich auch auf eine bessere Art und Weise umverteilt?

Während die Vermietung von Räumen es Leuten wie Raffaele ermöglicht, gerade so über die Runden zu kommen, zeigt ein kürzlich bei The Guardian erschienener Bericht, dass andere damit  regelrecht Geld scheffeln, und zwar steuerfrei.

Die Zeitung portraitierte vollbeschäftigte Personen, die durch die Vermietung von Räumen in ihrem Haus zwischen 10.000 und 90.000 US-Dollar zusätzlich verdienen. Laut dem Bericht (basierend auf eigenen Daten von AirBnB) haben die 40 Top-Hosts in New York jeweils 400.000 US-Dollar in den letzten drei Jahren eingenommen – ein Gesamtbetrag von über 35 Millionen US-Dollar. Die 100 Top-Hosts haben im selben Zeitraum knapp 54 Millionen US-Dollar verdient. Das ist wohl kaum eine Umverteilungsgerechtigkeit.

Und das sind nur die besten 100 unter vielen Millionen Gastgebern.

Besorgt darum, dass AirBnB und seine Hosts das Steueraufkommen drastisch minimieren, wollen lokale Behörden und Landesregierungen mit einer breiten Unterstützung der Hotelindustrie diese Form des Marktes regulieren.

Der Staat New York behauptete kürzlich erst, dass bis zu zweidrittel der Angebote illegal sein könnten, weil dort Räumlichkeiten für weniger als einen Monat vermietet werden ohne das sie einen dauerhaften Bewohner haben.

Die Stadt hat bereits dutzende “illegale Hotels” geschlossen, die auf der Webseite angeboten wurden und durch ein kürzlich erfolgtes Abkommen erhält die Stadt nun direkten Zugang zu den Daten der Hosts bei AirBnB. AirBnB muss außerdem Anbieter identifizieren, bei denen illegale Aktivitäten vermutet werden.

Zurück in Barcelona glauben Leute wie Raffaele nicht, dass die Hotels bedroht sind und er ist verwirrt auf Grund der Entscheidung der Stadt, diejenigen zu verfolgen, die sich eine Touristenlizenz am wenigsten leisten können:

„Es gibt einen großen Unterschied zwischen der Vermietung eines einzelnen Raums in der eigenen Wohnung und der Vermietung ganzer Apartments oder sogar mehrerer. Dann wird es zum richtigen Geschäft“, sagt er.

“Ich denke nicht, dass wir mit den Hotels konkurrieren, denn viele Leute, die bei mir übernachten, würden gar nicht erst in ein Hotel gehen. Entweder weil es zu teuer ist, oder aber weil sie auf der Suche nach einer ganz anderen Erfahrung sind. Und diese Leute tragen enorm zur lokalen Wirtschaft bei.“

AirBnB selbst behauptet, dass sein Service Milliarden dazu beiträgt, was in den Städten ausgegeben wird. Seine eigenen Zahlen erwecken den Anschein, dass sein Effekt in New York City bei ungefähr 500 Millionen US-Dollar, in London bei 300 US-Dollar und in Barcelona bei 150 US-Dollar liegt. Und dennoch sind wir gut beraten uns selbst daran zu erinnern, dass diese Zahlen auch einfach auf wilden Spekulationen beruhen können.

Während Katalonien Einzelpersonen untersagen will ihre privaten Räumlichkeiten zu vermieten, haben sie ganze Appartements mit Touristenlizenzen ausgestattet und erlaubt weiterzumachen. Und das ist genau das, was laut Interessensgruppen für erschwinglichen Wohnraum zur Wohnungsknappheit in vielen großen Städten beiträgt.

AirBnB und andere Webseiten motivieren Leute ihrer Meinung nach dazu, normale Appartements vom Markt zu nehmen und sie in Touristenwohnungen umzuwandeln. Erstes Anzeichen dafür ist, dass Vermieter bereits ihre Langzeitmieter vertreiben, um die Immobilien in AirBnB-Inserate zu verwandeln. Und man kann sich denken, dass Räume, die heute an Touristen vermietet werden, früher einmal an Langzeitbewohner vermietet wurden.

Während AirBnB das Gegenteil behauptet, haben zwei interessante Studien herausgefunden, dass Leute wie Raffaele in Barcelona, die einen einzelnen Raum ihres Hauses vermieten, nicht länger die Norm sind. Eine Studie mit 90.000 Hosts in 18 Städten hat ergab, dass 40% mehrfach gelistet wahren, während eine vom San Francisco Chronicle in Auftrag gegebene Studie herausfand, dass fast 5.000 Angebote in der Stadt für ganze Appartements oder Häuser galt.

Im Kern der Sache steht aber die Technologie und das Internet, sowie die Frage, ob dessen langfristige Auswirkungen zu mehr oder weniger Beschäftigung führen und ob zu einer besseren oder schlechteren Verteilung des Einkommens.

Auf der ganzen Welt ist der grundsätzliche Trend, dass der Wohlstand zunehmend aus der arbeitenden Mittelklasse herausgepresst und in der Hand einiger weniger konzentriert wird. Diejenigen, die weniger geschäftstüchtig sind werden zunehmend marginalisiert und dem Zweck beraubt.

Ist der Bedarf zusätzlich etwas verdienen zu müssen, in dem Räume des eigenen Hauses an Touristen vermietet werden, eine Konsequenz dieses Trends oder ist es eher ein dazu beitragender Faktor? Werden Jobs, Häuser und die Staatseinnahmen für Gesundheits-, Sozial- und Infrastrukturausgaben weiterhin auf dem Spiel stehen? Oder werden die Menschen am unteren Ende endlich Fuß fassen können auf einer Leiter der ökonomischen Freiheit?

Diese Fragen zu beantworten, würde beuteten, die Zukunft vorauszusagen.


Pierre Herman ist Lehrer, Autor und studiert Sustainable Cities (MA) am Kings College in London. Hier findest du weitere Ideen von ihm.

Bild von IMBiblio

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