Vision einer Zukunft, in der Drohnen den Himmel über der Stadt prägen

Es wäre nicht das erste Mal, das jemand Jeff Bezos anschaut und sagt: „Das kann nicht dein Ernst sein, oder?“ Der Gründer von Amazon hatte zuvor mit aggressiver Skepsis zu kämpfen – wegen der Realisierung seiner riesigen Verteilzentren, die bei der Distribution irgendwie (und wenige wissen wirklich wie) doppelt so effizient sind. Und wegen dem überraschenden Schritt die Washington Post zu kaufen, was bei einigen für Stirnrunzeln gesorgt hat.

Aber Bezos Plan würde nicht die Struktur oder das Aussehen der Stadt selbst verändern, sondern er würde den Himmel darüber verändern.  Bezos Vorschlag ist es, eine Flotte aus kleinen roboterhaften achtmotorigen Helikopter-Drohnen zu bauen, die dann individuelle Pakete unter 2,5 Kilo innerhalb eines 16-Kilometer Radius um die Verteilzentren herum ausliefern.

Das kann nicht sein Ernst sein, oder? Im Grunde genommen gibt es keinen Mangel an unmöglichen Vorschlägen hinsichtlich Drohnen-Liefersysteme, inklusive dem denkwürdigen tacocopter.com. Aber Bezos hat mehr zu bieten. Bei seinem Auftritt in „60 Minutes“ zeigte er dem Moderator Charlie Rose einen funktionierenden Prototypen, sowie ein überzeugendes Demovideo der Drohne. Diese war mit dem Amazon-Logo geschmückt und transportierte ein Paket von der Größe einer Brotdose von einem Lager zu einem Einfamilienhaus, wo es dann dankbar von dem gepflegten Hausbesitzer entgegen genommen wurde. Vielleicht meint Bezos es am Ende doch Ernst.

Die Vorstellung winziger Drohnen, die durch den städtischen Luftraum schwirren, hat eine gewaltige Aufregung im Netz verursacht. Die ersten zahlreichen Widersprüche keimten auf, weil Drohnen aktuell vor allem bekannt sind als bewaffnete, durch die US-Armee verwendete Killermaschinen, die in den kriegsgebeutelten Regionen Afghanistans und Pakistans Angst und Schrecken verbreiten. Eine Kolumne von „Medium“  weist darauf hin weist darauf hin, das Drohnen aktuell auch von Kriminellen verwendet werden, um Schmuggelware in Gefängnisse zu bekommen; Maureen Down ist Startkolumnistin der New York Times und fügt ebenfalls hinzu, dass Drohnen auch dazu verwendet werden Bilder von noblen Villen zu machen. Wegen des Teasers bei „60 Minutes“ beschuldigen mansche Bezos, diesen Prototypen nur als Marketing-Stunt für den Cyber Monday gebaut zu haben. Letztendlich hat „College Humor“ scharfsinnig beobachtet, dass dies zu einem matrixartigen Roboteraufstand führen könnte.

Aber abseits der Panikmache und dem Klatsch und Tratsch, gibt es legitime Sorgen im Hinblick auf ein funktionierendes Drohnensystem. Kolumnist und Helikopter-Fan Joshua Ziering hebt hervor, das die Reichweite bei Einbeziehung des Gegenwinds signifikant sinkt. Das angeblich fehlerfreie achtmotorige Design könnte trotzdem noch durch einen Kurzschluss außer Gefecht gesetzt werden. Und das komplett computergesteuerte System, welches sich auf Datenbanken für Oberflächenhöhen stützt, hat vielleicht keinen Zugang zu einer verlässlichen Datenbank mit Stromkabeln und Bäumen. Nichtsdestotrotz ist Bezos optimistisch: er denkt das das System in fünf Jahren einsatzbereit sein könnte.

Werden wir zeugen des Aufstiegs einer schönen neuen Drohnenwelt? Niemand ist sich sicher, aber die Vision von Bezos ist zweifelsohne deutlich plausibler als der Tacocopter und wird vielleicht irgendwann Realität. Und wer weiß, vielleicht ist die Erhöhung der Anzahl an Drohnen-Lieferungen gar keine schlechte Sache (angenommen die Drohnen sind nicht mit Waffen ausgestattet wie ihre Pendants aus dem Krieg). Das würde für weniger LKWs auf den Straßen sorgen, auch wenn noch unklar ist wieviel weniger; es würde eine ganze Menge an 2,5-Kilo Drohnenlieferungen brauchen, um das Gewicht nur eines Zweitonner-LKW’s auszugleichen.

Aber es gibt noch etliche Hürden, die es zu meistern gilt. Wenn mehrere Firmen Drohnensysteme starten, wie werden diese koordiniert? Was ist mit dem Vermeiden von Zusammenstößen mit Vögeln? Oder Leuten, die versuchen Drohnen zu stehlen während sie landen, um sie dann als Weihnachtsgeschenk für ihre Kinder zu verwenden? Am Wichtigsten ist aber die Frage, wie ein großangelegtes Drohnensystem funktioniert, wenn es erstmal Bezos ideales Vorstadtszenario verlässt und in dichtbesiedelten Städten Einzug hält? Um Zusammenstöße mit Hochhäusern zu vermeiden, werden Drohnen wahrscheinlich über bestimme Wege geleitet, was wiederum ihre Reichweite einschränkt. Werden sie für Lieferungen in Bürogebäude auf dem Dach landen, oder vor der Eingangstür, wo sie leicht dem Fußgängerverkehr zum Opfer fallen können? Und für jeden, der über dem ersten Stock in einer Appartementanlage wohnt, wird der surrende Sound von zwei am Morgen vorbeifliegenden Drohnen sehr schnell sehr nervig werden.

All diese Fragen bleiben ungeklärt und werden in den USA möglicherweise von den für 2015 geplanten Vorschriften der FAA geregelt. Aber neben den rein logistischen Fragen, gibt es auch die Frage danach, wie dies unsere Nutzung des städtischen Raumes beeinflussen wird. Bezos hat klar gemacht, dass das Hauptziel des Programms alle Lieferungen mit ca. 2,5 Kilo und weniger sind (laut Bezos 86% aller Bestellungen) – bei einer Drohnenreichweite von 30 Minuten. Es geht nicht darum den Himmel zu verändern – auch wenn es das wird – sondern vielmehr darum, die virtuelle Reichweite des Internets auszudehnen. Noch einmal, der physische Raum scheint gegen den Cyberspace zu verlieren.

Aber weit davon entfernt, dem Wert lebendiger Stadträume ein Ende zu setzen, zeigt uns der Aufstieg der Drohnen möglichweise sogar ihren wahren Wert. Lasst uns nicht vergessen, dass der Schlüssel zum Erfolg dieses Programms nicht die Drohnen selbst sind, sondern die riesigen Lagerhallen mit ihren etlichen Allzweckprodukten auf Lager. Aber was ist mit seltenen Artikeln, oder Artikeln die nicht in Masse hergestellt werden können? Drohnen mögen uns eines Tages all unser Alltagsgegenstände bringen, aber sie können niemals die physische Erfahrung kopieren, die uns der Einkauf von einzigartigen, handgemachten Gegenstände ermöglicht, mal abgesehen von dem zusätzlichen kulturellen Nutzen von öffentlichen Räumen.

Wir müssen einfach auf Bezos nächste große Ankündigung warten, die den physischen Raum völlig überflüssig gemacht.


Drew Reed ist Onlineproduzent und als Community-Aktivist spezialisiert auf nachhaltiges Verkehrswesen. Er lebt in Buenos Aires.