“Während die Nationalstaaten noch diskutieren, handeln die Städte schon.” Dieser Slogan des ehemaligen Bürgermeisters von New York, Michael Bloomberg, kursiert inzwischen in Blogs, Foren, Vorträgen und Zeitungsartikeln. Städte als internationale Akteure haben es auf die großen Bühnen der Diplomatie geschafft. Erst kürzlich bei der letzten Versammlung der UN in New York diesen September bekam das Thema einen prominenten Platz auf der Agenda. Im Vorfeld hatte Ban Ki-moon noch Bloomberg zum Sonderabgesandten für Städte und Klima der Vereinten Nationen ernannt. Und auch Jeffrey Sachs, der Popstar unter den Entwicklungswissenschaftlern, setzt sich dafür ein, das Thema in die nächste Version der Milleniumsziele aufzunehmen.
Mit zahlreichen Nichtregierungsorganisationen institutionalisiert sich die Zusammenarbeit vor allem im Bereich der Klima- und Umweltpolitik bereits seit vielen Jahren. Organisationen wie UCLA (United Cities and Local Governments) oder ICLEI (Local Governments for Sustainability) arbeiten mit Städten an Strategien zur Anpassung und Vermeidung von Klimawandel und weiteren Umweltthemen. Das Netzwerk C40, das seine anfänglichen Mitglieder bald verdoppelt haben wird, besteht inzwischen schon aus 69 Megastädten und vereint rund 18 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts und jeden zwölften Erdbewohner auf sich. Die Erkenntnis, dass sich durch die steigende Urbanisierung die Gestaltung einer nachhaltigen Entwicklung zukünftig vor allem in den Metropolen der Welt abspielen wird, setzt sich mehr und mehr auch in politischen Kreisen durch. Vor allem die Megastädte der Schwellenländer wachsen einerseits weitgehend unkontrolliert durch Faktoren wie den Aufstieg neuer Mittelklassen, bieten andererseits jedoch auch Möglichkeiten eine nachhaltige globale Entwicklung gerade hier durch lokale Politiken zu steuern. Die Zusammenarbeit der Städte, die trotz verschiedener soziokultureller und wirtschaftlicher Realitäten zahlreichen gemeinsamen Herausforderung, wie dem Abfallmanagement oder dem Schutz vor Klimarisiken durch steigende Meeresspiegel oder Dürren, gegenüber stehen, unterstützen sich durch den Austausch von guten Praktiken und gegenseitige technische Fortbildungen. Die Kooperation läuft meist über Bürgermeister und deren technisches Personal aus spezifischen Ressorts der Stadtverwaltungen oder nahestehenden Unternehmen wie Verkehrsbetrieben oder Abfalldienstleistern. Positive Konkurrenz um Reduktionsziele von Treibhausgasen oder Fahrradwegkilometern setzen neue Marken für die Definition der Modernität von Städten.
Allein damit sind die Städte den Nationalstaaten in vielerlei Hinsicht einen Schritt voraus. Der Mangel an Effektivität der multilateralen Kooperation bezüglich der Zusammenarbeit zu Klima- und Umweltpolitik hatte in den letzten Jahren zu Ernüchterung geführt. Zusätzlich erfährt die als Paradiplomatie bekannte internationale Kooperation auf lokaler Ebene weiter Aufwertung durch neue Entwicklungen der internationalen Beziehungen. Schon der Europarat hatte im Jahr 2008 die Wichtigkeit der Städte-Diplomatie mit Konflikten innerhalb Europas und des Balkans begründet. Seitdem sieht sich die Welt in einer neuen Dimension von globalen Ungleichgewichten durch Krisenherde, die als geopolitische Epizentren traditionelle Partner voneinander entfernen, und bisher kaum neue Bündnisse schaffen konnten. Hier bietet die Zusammenarbeit der Städte eine Möglichkeit Kooperationen fortzusetzen, da sie weitestgehend unabhängig von Ideologie und politischen Lagern funktionieren.
Die softere Version der internationalen Klimaverhandlung findet inzwischen jedoch auch Kritik. Zu viele Netzwerke, die sich untereinander noch wenig koordinieren, führen beispielsweise zu Doppelstrukturen. Das Portal “Next City” veröffentlichte zum Ende der UN-Versammlung zudem einen Beitrag, der die “Wischi-Waschi”-Rhetorik der Bürgermeister kritisierte. Bekundungen ohne Verbindlichkeiten könnten Pläne, wie Reduktionsziele erreicht werden sollten, nicht ersetzen. Es sei schick geworden zu behaupten, die Städte täten, was der Kongress nicht fertig bringe.
Gerechtfertigt scheint die Kritik allemal zu sein. Immerhin besteht gerade in den weniger institutionalisierten Städten der Schwellenländer die Gefahr, selbst erklärte Ziele ohne jegliche Sanktionsmechanismen zu vernachlässigen, sobald eine neue Regierung an die Macht kommt.
Trotzdem zeigt der Beitrag neue Facetten der Debatte um Städte-Diplomatie. Mainstream zu werden bedeutet gleichzeitig auch, dass das Thema auf einer neuen Ebene angekommen ist. Dies zeigt sich auch an Wirtschaftsinitiativen, die die Städte für sich zu entdecken beginnen. Die Unternehmensberatung McKinsey beschäftigt sich inzwischen regelmäßig in Studien mit Megastädten. Und auch Unternehmen wie Siemens investieren massiv in die urbanen Märkte. Damit verbunden ist nicht nur, dass Städte als Akteure in der Klima- und Umweltpolitik mehr und mehr ernst genommen werden. Im besten Falle wirkt sich dies mittel- und langfristig auch auf die Ausstattung mit finanziellen Mitteln aus, die besonders in zentralisierten Nationalstaaten noch zu beschränkt ist, um die kostspieligen Herausforderungen, wie beispielsweise den Bau von U-Bahnen, zu meistern. Gleichzeitig bewirkt die Popularität des Themas auch das Aufkeimen einer Debatte. Erst durch konstruktive Kritik kann die Entwicklung weiter verbessert werden. Der ‚Mayors Compact‘, ein Dokument zur Reduktion von Treibhausgasen, dass bei der Versammlung der UN in New York diesen September unterschrieben wurde, entstand erstmals aus der Zusammenarbeit verschiedener Netzwerke. Eine der wichtigsten Errungenschaften der Erklärung ist ein gemeinsamer Standard für die Datenaufbereitung der Berichte zu Emissionswerten der Städte.
Gerade bei soften Mechanismen wie ’name and shame‘ ist die Fiskalisierung durch die Öffentlichkeit zudem ein wichtiges Instrument zur Einhaltung von selbst auferlegten Verpflichtungen. Nur eine Bevölkerung, die Kenntnis über die Politik der eigenen Stadt und deren Relation zum globalen Standard hat, kann auch das Erfüllen der Verpflichtungen einfordern. Mainstream zu werden ist damit wohl das Beste, was der Städte-Diplomatie passieren kann.
Kathrin Zeller koordiniert in Brasilien Projekte der Konrad-Adenauer-Stiftung zum Thema Wirtschaftspolitik und Nachhaltigkeit. Zudem studiert sie Sustainability Management an der Leuphana Universität in Lüneburg.
Bilder von Kathrin Zeller & Zach Krahmer