Ausführung zu Chinas „SkyCity One“: Die vertikale Stadt

China ist für viele Menschen in vielerlei Hinsicht rätselhaft.  Eines der Dinge, die am wenigsten offensichtlichen scheinen, ist die Absicht hinter den neu erbauten und nun leerstehenden „Geisterstädten“. Warum ganze Städte bauen, wenn niemand dort Leben will? Und warum das weltweit höchste Gebäude, den SkyCity One, in nur 90 Tagen errichten?  Warum diese Eile?

Ein Gutachten  des McKinsey Global Institute prognostiziert, dass zwischen 2009 und 2025 knapp 350 Millionen Menschen aus Chinas ländlichen Gegenden in die östlichen Städte ziehen werden, eine immense Herausforderungen für die Entwicklung von Infrastruktur und Sozialwesen. Derselbe Bericht geht davon aus, dass einige neue Megastädte, Städte mit einer Einwohnerzahl von über 25 Millionen, als Ergebnis der massenhaften Landflucht aus dem Boden schießen werden.

Die Errichtung von kompletten Städten ist unter diesen Gesichtspunkten keineswegs verwunderlich. Die Unklarheit liegt nicht in der Frage, ob es einen Bedarf für neue und größere Städte gibt, sondern vielmehr wo dieser Bedarf besteht und wie die Städte dann aussehen werden.

Ein häufig zitiertes Beispiel ist der Stadtteil Kangbashi in Ordos, einer Stadt in der Inneren Mongolei. Ordos hatte 2010 knapp 1,9 Millionen Einwohner und ist dank der natürlichen Ressourcen eine der reichsten Städte Chinas, dessen BIP pro Kopf sogar das von Peking übertrifft. Insofern ist es wahrscheinlich, dass die Stadt in der Zukunft viele Zuwanderer aus der Region anziehen wird. Die Frage ist nur, ob Sie an den vielen Villen in Kangbashi überhaupt interessiert sein werden.

Ähnlich rasant wächst Zhengzhou, die Hauptstadt von Henan, mit über 8 Millionen Einwohnern. Der neue Stadtteil wurde ebenfalls zunächst als „Geisterstadt“ bezeichnet, aber scheint sich so langsam doch zu füllen.

Es macht nur Sinn, dass sich die Stadtentwickler beeilen, die Besitzverhältnisse frühzeitig zu klären und rechtzeitig mit dem Bau anfangen, so dass Sie die Ersten sind, wenn es darum geht, die langsam entstehende Nachfrage zu befriedigen.

Diese massenhafte Abwanderung in die Städte ist aber ein globales Phänomen: 70% der Weltbevölkerung sollen laut Prognosen bis 2050 in Städten leben. Die Zuwanderung in China ist einfach nur viel größer und schneller.

Gleichzeitig steht die Welt aber vor den neuen Herausforderungen den Energieverbrauch und die Umweltschäden zu reduzieren. Wenn aber alle neuen Städte nach den veralteten Vorbildern der europäischen und nordamerikanischen Städte gebaut werden, nämlich um das Auto als Hauptverkehrsmittel herum, dann wird das Ganze nicht funktionieren und zu einer endlosen Zersiedlung führen, die wiederum in einer extremen Verschmutzung und einem immensen Stauaufkommen endet.

Städte müssen dichter und daher größer werden. Ein Versuch die vertikale Stadt abzubilden ist der Shanghai Tower. Es ist ein hübsch designtes Konzept, das den Begriff „Nachhaltigkeit“ häufig verwendet und mit Sicherheit zu einer Art Denkmal werden wird, ähnlich wie das weltweit größte Gebäude, der Burj Khalifa. Aber es ist ein einmaliges Gebäude, welches nicht der Nachfrage nach hunderttausenden neuen Häusern gerecht werden kann.

Das einzige Unternehmen, welches überhaupt schon mal versucht hat eine Antwort darauf zu finden, ist das in Changsha beheimatet Broad Sustainable Building, ein Tochterunternehmen der Broad Group, dem weltweit größten Produzenten von nicht elektrischen Kühl- und Klimaanlagen.

BSB hat einen eigenen standardisierten, modularen Konstruktionsprozess entwickelt, bei dem 90% der Arbeit in einer Fabrik passieren und erst der letzte Teil, die Montage, vor Ort stattfindet. Der Vorteil ist, dass der Prozess deutlich sicherer, zuverlässiger und planbarer ist. Außerdem sichert dieses Vorgehen langfristige  Beschäftigung, im Gegensatz zur Normalität in der weltweiten Baubranche, die nur das Arbeiten als Tagelöhner fördert.

Die Wohnungen in den Gebäuden von BSB vereinen verschieden Technologien der Firma, die den Energieverbrauch reduzieren: jeder Raum hat ein automatisches (und manuelles) System, um die Temperatur konstant bei 20-27°C zu halten, es wird dreimal so viel Isolierung verwendet im Vergleich zu herkömmlichen Gebäuden und es gibt drei bis fünf Isolierfenster, sowie Luftreiniger, um das Heizen oder Kühlen auf ein Minimum zu reduzieren. Dank diesem neuen und effizienten Prozess sind die Wohnungen knapp 30% kostengünstiger. Diese Wohnungen sind für Menschen gemacht, nicht für Firmenbosse oder Promis.

Der SkyCity One wird 838 Meter hoch sein und 220 Stockwerke haben. Zusätzlich zum Wohnraum für 30.000 Menschen wird Platz für Büros, Läden, Restaurants, Schulen, Krankenhäuser und Weiteres vorhanden sein. Er wird interne „Straßen“ oder Gehwege geben, die den ersten und den 150ten Stock verbinden, Gemeinschaftsräume im Inneren eines jeden Stockwerks, Sportplätze – und „Himmelsgärten“ in fünf  Stockwerken.

Insgesamt, zusammen mit den Besuchern und den Menschen die dort Arbeiten, ist das Gebäude für bis zu 100.000 Leute ausgelegt. Die Fortbewegung innerhalb dieser Stadt wird durch 92 Aufzüge sichergestellt, oder durch Laufen – für diejenigen, denen danach ist.

Der Bau des SkyCity One wird zeigen, ob das Konstruktionsmodel von BSB dazu geeignet ist die Nachfrage, generiert durch massenhafte Verstädterung, zu stemmen. Da das Gebäude jedoch in einem eher abgelegenen Ort außerhalb von Changsha gelegen ist, was nach einer verständlichen Standortwahl klingt, um solch einen neuen Prozess zur Errichtung des weltgrößten Bauwerks zu testen, wird dies zwar die technologischen Fragen beantworten, nicht aber die sozialen.

Heute wird der Großteil des städtischen Raumes dazu genutzt, um Funktionen wie Handel, Produktion, Bildung, etc. zu verteilen. In zukünftigen, vertikalen Städten können diese Funktionen alle innerhalb des gleichen Gebäudes vorgefunden werden und das Pendeln geschieht nicht mehr horizontal, sondern vertikal.

Das bedeutet aber auch eine fundamental veränderte Beziehung zu Raum. Wie wird öffentlicher Raum in einer vertikalen Stadt definiert und genutzt, und wie oft und wann werden wir uns überhaupt noch nach draußen wagen? Wird diese verdichtete „Stadt der Städte“, verteilt auf 220-stöckige Gebäude, die paradoxe Verwirklichung einer Stadt mit dem menschlichen Maßstab, das alles fußläufig oder per Fahrrad erreichbar ist?

Wie würde die Demographie in solch einer Stadt aussehen? Die „Neue Gentrifizierung“ in San Francisco, wo ältere Einwohner zugunsten neuer, junger Bewohner, die in Geld schwimmen und daran glauben die „Welt verändern“ zu können rausgedrängt werden,  ist ein Indiz dafür, dass das der eigentliche Wandel sein könnte, der notwendig ist um für gleichmäßiger verteilte Städte zu Sorgen. In China, genauso wie in Amerika und Europa.