Unabhängigkeit, Teilen und Beteiligung: Drei große Ideen um Städte zu verändern

Was muss mit unseren Städten passieren, damit diese uns in Richtung einer nachhaltigeren, besseren Zukunft führen? Das ist die Frage, die wir uns bei Friends of the Earth gestellt haben als wir das Projekt Big Ideas Change the World gestartet haben. Zum Thema Städte haben wir drei noch junge Big Ideas entwickelt – Unabhängigkeit (mehr Macht auf der Ebene der Städte), Teilen und stärkere Graswurzel-Demokratie bzw. -Beteiligung – die wir aber von den Leuten testen und kritisch hinterfragen lassen wollen.

Unabhängigkeit

Wir haben mit dem ehemaligen Londoner Bürgermeister Ken Livingstone über die Fähigkeit der Stadtverwaltung Dinge anzupacken gesprochen.  Er erzählte uns, dass den Städten und Kommunalverwaltungen in Großbritannien die Handlungsfähigkeit schrittweise entzogen wurde.  Früher „konnte eine Kommune alles tun, wofür sie Geld aufbringen konnte, obwohl es Gesetze gab die das verboten.“

Livingstone weist darauf hin, dass Städte das Potential haben wirklich etwas zu verändern: „Eine Ansammlung von acht Millionen Menschen gibt einem die Chance enorme Verbesserungen zu erreichen. Man kann Energie lokal erzeugen und das sehr effizient. Es gibt eine Bevölkerungsdichte bei der alles einfach recycelt werden kann.“

Professor Harriet Bulkeley und zwei weitere Kollegen von der Universität Durham gehen davon aus, dass es  vier Formen der städtischen Unabhängigkeit  gibt, wovon ganz allgemein gesprochen zwei gut und zwei schlecht sind. Die Schlechten sind:

  • Wenn Nationalstaaten Städten Befugnisse übertragen, aber gleichzeitig keine Ressourcen zur Verfügung stellen oder ihnen die finanziellen Mittel entziehen und sie davon abhalten selbst Geld einzunehmen.
  • Wenn die Unabhängigkeit an die Oberschicht abgegeben wird und dabei Stimme und Einfluss der Ärmsten der Gesellschaft verdrängt werden. Sie zitiert Delhi’s Bhagidari Programm, welches die Macht von ortsansässigen Wohlfahrtsverbänden gestärkt hat. Mitglieder zahlen regelmäßig Gebühren, die Leistungen wie Abfallentsorgung, Sicherheitsdienste und aufgewertete Parks ermöglichen. Aber die wachsende politische Macht dieser Verbände hat die Stimme der Ärmsten, die in Elendsvierteln ohne Eigentum leben, beschnitten. Ähnlich wie im viktorianischen England, als die wohlhabenden Schichten das Sagen hatten und die Bedingungen für die Ärmsten entsetzlich waren.

Gute Beispiele für Unabhängigkeit hingegen sind Ihrer Meinung nach dagegen:

  • Die vernetzte Unabhängigkeit – wo Bezirke oder Gruppen die Macht haben und mit anderen zusammenarbeiten, um den Wohlstand für alle zu verbessern. Ein Beispiel ist die Schattenwirtschaft der Müllsammler in der Nähe von Mumbai. Durch ihre Zusammenarbeit, unterstützt von Stadtverwaltung und Gewerkschaften, konnten sie ihre Lebensgrundlage verändern und weitaus sichere Arbeitsbedingungen schaffen. Die Slum/Shack Dwellers Initiative hat dieses gemeinschaftliche Vorgehen auf internationale Ebene ausgedehnt und teilt so Wissen und Erfahrungen, um Kampagnen für bessere Wohnverhältnisse und Dienste voranzutreiben. Die C40 cities Initiative, gegründet von Ken Livingstone, ist ein drittes Beispiel, wo Stadtverwaltungen ihr Wissen teilen und für Kohlenstoffreduzierung sorgen, selbst dort, wo die nationale Unterstützung für solche Maßnahmen fehlt.
  • Die verteilte Unabhängigkeit – wo Macht in einer koordinierten und geplanten Art und Weise übertragen wird. Bulkeley nennt dabei das Beispiel der partizipativen Haushaltsplanung in Porto Alegre, Brasilien, wo Kommunen die finanziellen Möglichkeiten und das Wissen erhielten, um sich an der Festlegung des lokalen Haushaltsbudgets zu beteiligen. Dies hat zu einer Umkehrung der Prioritäten geführt: medizinische Grundversorgung in armen Gegenden wurde eingeführt, die Anzahl der Schulen und Kindergärten wurde erhöht und die meisten Haushalte erhielten Zugang zu sauberem Wasser und Abwassersystemen.

Friends of the Earth ist der Meinung, dass eine stärkere Unabhängigkeit der Städte wahrscheinlich entscheidend ist für die Zukunft, da Städte sich untereinander vernetzen werden um Veränderungen voranzutreiben. Wir fragen daher, was denkst du über die Stärkung der städtischen Macht, welche Befugnisse sollten übertragen werden, und warum? Wir fragen auch, ob Städte wichtiger sein werden bei der Gestaltung der Zukunft als nationale Regierungen?

Teilen

Basierend auf dem Wachstum des Teilens, wie z.B. auf  sharable.net betont wird, sehen wir eine Zukunft, in der Teilen weit verbreitet ist. Das Teilen von Grünflächen, das Teilen von Autos und Fahrrädern, das Teilen von Büroräumen, das Teilen von Werkzeugen und das Teilen von Anlagen, z.B. zur Energiegewinnung sind alles großartige Möglichkeiten. Das Wachstum des digitalen Teilens zu nutzen kann wichtige Fortschritte in der Ressourceneffizienz ermöglichen, aber auch dabei helfen soziale Netzwerke zu generieren.

Aber Teilen kann mehr bedeuten als nur das Teilen von Dingen. Das Teilen von Geldmitteln durch Crowdsource- Förderung und Mikrofinanzierung sind ebenfalls eine wachsende Bewegung. Und in einer guten Demokratie dreht sich alles um das Teilen von Macht, was uns wiederum zu der dritten Empfehlung führt, die stärkere Beteiligung von Menschen in Ihren Städten und bei der Entscheidungsfindung.

Beteiligung

Der Philosoph Paolo Freire sagte einmal: “Bildung funktioniert entweder als ein Instrument das dazu genutzt wird um die Integration der jüngeren Generation in die Logik des aktuellen Systems zu erleichtern und Konformität zu fördern oder aber es wird zur Ausübung der Freiheit, was so viel bedeutet wie, dass Männer und Frauen kritisch und kreativ mit der Realität umgehen und entdecken, wie Sie teilhaben können an der Veränderung Ihrer Welt.“

Wenn Städte sich wirklich selbst verändern werden, brauchen wir Bürger, die ausgestattet und in der  Lage sind sich an der Gestaltung der Stadt zu beteiligen. Bildung zur Förderung von Graswurzel-Beteiligungen  und -Demokratie ist unsere dritte Big Idea.

Friends oft he Earth‘s Big Ideas Change the World Projekt engagiert sich dafür diese Ideen zu erforschen und weiterzuentwickeln. Wir hoffen, dass auch andere in diese Diskussion mit einsteigen werden und daran mitwirken, eine Vision für eine bessere Zukunft zu kreieren.


Mike Childs ist Projektleiter bei “Friends of the Earth” und verantwortlich für das “Big Ideas Change the World” Projekt.