Wie wird Obamacare die Städte und den städtischen Raum in den Vereinigten Staaten beeinflussen?

Je nach politischer Orientierung symbolisiert der 1. Oktober 2013 entweder einen humanitären Sieg für Amerikas Wohlfahrt oder aber die apokalyptische Zerstörung der Republik wie wir sie heutzutage kennen. Für die gesamte Amtszeit des aktuellen US-Präsidenten Barack Obama ist der „Affordable Care Act“, auch liebevoll oder spöttisch als „Obamacare“ bezeichnet, bei weitem die kontroverseste seiner  Maßnahmen –  ein Magnet für seine treuesten Unterstützer und seine schärfsten Kritiker. Es ist ein umfangreiches Gesetz, dass quasi allen US-Bürgern eine Gesundheitsversorgung ermöglicht, indem jeder sich privatversichern kann und diejenigen aus den niedrigsten Einkommensgruppen bezuschusst werden, wenn sie nicht in der Lage sind die Kosten aus der eigenen Tasche zu zahlen. Der Gesetzesentwurf wurde 2010, nach fast einem Jahr Parteien-Streitigkeiten, eingereicht und sein in Kraft treten um drei Jahre, das heißt auf den 1. Oktober 2014, den erste Tag des Fiskaljahres 2014, verschoben. Verabscheut durch gegnerische Republikaner, die Ende 2010 die Kontrolle über das US-Repräsentantenhaus übernahmen, gab es dutzend Wiederrufen im Repräsentantenhaus, die wiederum durch den immer noch demokratisch kontrollierten Senat vereitelt wurden. In einem aller Letzen Versuch, das in ihren Augen stalinistische Gesetz zu stoppen, haben die Republikaner im Repräsentantenhaus ein parlamentarisches Machtspiel losgetreten, bei dem sie die Zustimmung zum Kongressbudget so lange verweigern, bis Obama sein Programm um ein Jahr verschiebt.

Die Art des Obamacare-Gesetzes sorgt für einen sehr saubereren ideologischen Schnitt zwischen Unterstützern und Gegnern seiner Einführung. Wenn du liberal bist, befürwortest du es, wenn du konservative bist, hasst du es. Punkt. Während wir das Schreiben ist es unklar, ob Obamacare in Kraft treten wird oder nicht. Aber angenommen es tritt in Kraft, dann wird dieses über-kontroverse Gesetz neben seinen bereits veröffentlichten Effekten auch einen Politikbereich betreffen, der deutlich schwerer in eine ideologische Schublade zu stecken ist: die Stadtentwicklungspolitik. Es wird ebenfalls einen direkten und indirekten Einfluss auf den städtischen Raum der amerikanischen Städte haben.

Die Beziehung zwischen Gesundheits- und Stadtplanung hat eine lange Tradition. In der Vergangenheit wurden Strategien für städtisches Design oft als notwendig zur Bewahrung des allgemeinen Gesundheitszustands der Bevölkerung angesehen – insbesondere zum Ende des 19. Jahrhunderts hin. Das führte zum Bau von Kanalisationsnetzen, zur Einteilung in Zonen und zu weiteren organisatorische Verfahren, dessen Ziel es unter anderem war, Menschen gesünder zu machen. Bis zum heutigen Tag macht die Möglichkeit eines Krankheitsausbruchs die Gesundheit zu einem wichtigen Thema der Stadtplanung  und -entwicklungspolitik.

Die unmittelbare Nähe von extremem Wohlstand und extremer Armut, die insbesondere in Städten vorzufinden ist, macht diese laut einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation „zu einer der besten und schlimmsten Umgebungen für die Gesundheit und das Wohlergehen.“ Die USA sind, obwohl sie der reichste Staat der Welt sind, keine Ausnahme bei dieser Regel. Während wohlhabende Nachbarschaften einfachen Zugang zu protzigen Gesundheitseinrichtungen haben, erfahren ärmere Gegenden einen Mangel an Gesundheitseinrichtungen und größere Schwierigkeiten beim Zugang zur Gesundheitsversorgung im Allgemeinen. Das trägt zu den negativen Effekten bei, wie diese Serie an Karten dramatisch gezeigt hat; eine davon zeigt zwei Gegenden in New Orleans, die nur zwei Meilen voneinander entfernt liegen, deren Lebenserwartung sich aber um 25 Jahre unterscheidet.

Wie würde Obamacare das ändern? Zuallererst ist es wichtig sich daran zu erinnern, dass die Einführung dieses Programms dramatisch zwischen Staats- und Stadtzuständigkeit schwanken wird. In Bezug auf seine direkte Auswirkung für den städtischen Raum, könnte der greifbarste Effekt die Veränderung des Krankenhausbaus sein. Seit dem wirtschaftlichen Zusammenbruch 2008 ist der Krankenhausausbau signifikant gesunken. Planetziens merkt an, das die Krankenhäuser aber schon vor der Krise aus den ärmeren Gegenden geflüchtet sind, da arme Menschen unwahrscheinlicher eine Versicherung haben. Obwohl Obamacare weiterhin auf private Versicherer setzt, bietet es eine flächendeckende Versorgung und somit möglicherwiese einen finanziellen Anreiz für bessere Krankenhäuser und Versorgung selbst in den ärmeren Gegenden. Aber das ist alles andere als sicher. Es könnte ein behördlicher Anschubs  nötig sein damit etwas passiert und dieser kommt aller Wahrscheinlichkeit nach von einer Staats- oder Kommunalbehörde – wenn er überhaupt kommt. In der Zwischenzeit spekulierte „Architectural Record“ in einem Artikel aus dem letzten Jahr, dass das Gesetz auch einen Einfluss darauf haben wird, wie Krankenhäuser konzipiert werden.

Obamacare hätte auch einen maßgeblichen Einfluss auf den städtischen Haushalt. Aktuell sind mehrere große US Städte, unter anderem Detroit, pleite. Wie der „Business Insider“ feststellt, ermöglicht Obamacare einen Weg die Pensionsaufwände der öffentliche Angestellten zu decken und dadurch aus der Pleite herauszukommen, sowie hoffentlich in die Lage versetzt zu werden, lokale Investments zu tätigen, die das Stadtbild zum Besseren verändern. Der Artikel merkt ebenfalls an, dass dies auch für andere Städte, die nicht pleite sind aber dennoch mit Budgetproblemen zu kämpfen haben (z.B. Chicago), von Vorteil ist. Nichtsdestotrotz bedeutet die unbeständige Natur des US-Kongresses, das ein pensionierte Angestellter aus Detroit kurzerhand in ein bundesstaatliches Programm rübergeschoben werden kann, welches dann durch den  Kongress, der einer bundesstaatlichen Fürsorge feindlich  gesonnen ist, gekürzt wird. Deren Situation wird deutlich schlimmer, wenn 2016 ein Republikaner die Präsidentschaftswahlen gewinnen wird.

Es gibt eine weitere unterschwellige, aber dennoch wichtige Auswirkung, die Obamacare auf US-Städte haben wird. Wie kürzlich in einer  Studie von Plos-One herausgearbeitet wurde, hat die Art, wie wir städtischen Raum wahrnehmen einen enormen Einfluss auf den Entscheidungsprozess, wofür wir unsere Städte in der Zukunft nutzen wollen. In der Vergangenheit haben autoritäre Führer versucht die Wahrnehmung in den Städten durch etwas zu verändern, das man das „Bestrafen der Armen“ bezeichnet. Die „Zerbrochene-Fenster-Theorie“, welche es rechtfertig „unerwünschte Personen“ einzusperren, einfach nur weil sie unerwünscht sind, wurde im New York der 90er Jahre mit viel Trara in die Tat umgesetzt. Aber dieses aktuelle Programm kann möglicherwiese wirklich zur Problemlösung beitragen, da es einen deutlich konstruktiverer Ansatz wählt: anstatt Menschen in benachteiligten Gegenden einfach einzusperren, geht es Schritte, um ein Problem zu lösen, das insbesondere in diesen Gegenden sehr akut ist. Die USA, weltweit bekannt als Welthauptstadt der sich ausbreitenden Suburbanisierung, sind vielleicht mehr als jedes andere Land voreingenommen gegenüber dichten städtischen Gegenden. Die Wahrnehmung dieser Gegenden zu verbessern kann dabei helfen dies umzukehren.

Im Allgemeinen wird das Thema Gesundheitsfürsorge einfach als Zahlenspiel gesehen. Ein Problem das durch Buchhalter und Zahlenakrobaten gelöst werden kann, ohne Gedanken daran zu verschwenden, wie sich diese Entscheidungen auf das reale Leben auswirken. Und innerhalb dieser Thematik gibt es auch eine lebhafte Debatte darüber, ob der öffentliche oder private Sektor einen besseren Job macht und auch darüber, ob Gesundheitsfürsorge als Recht oder als Privileg angesehen werden sollte. Aber sowohl die Gesetzesbefürworter, als auch die Gegner sollten sich daran erinnern, dass dies ein Thema ist, dessen Auswirkungen von Gegend zu Gegend variieren. Sollte dieses Gesetz wirklich eingeführt werden, sollten seine Auswirkungen auf den städtischen Raum nicht ignoriert werden.


Drew Reed ist Onlineproduzent und Community-Aktivist spezialisiert auf nachhaltiges Transportwesen. Er lebt in Buenos Aires. 

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